Besuch aus dem Süden: Zwergohreule
Seit einiger Zeit singt eine Zwergohreule in einem Wohngebiet in Bonn. Der Vogel hat ausgrechnet neben hohen Häusern am Rande eines Spielplatzes sein Revier bezogen. Zwergohreulen leben in Europa hauptsächlich im Mittelmeerraum und sind bei uns eine Ausnahmeerscheinung.
Vor einiger Zeit bekamen die beiden Lokalornis Claudine Strack und André Diesel einen Hinweis auf merkwürdige Rufe in einem rheinnahen Stadtteil von Bonn. Eine Überprüfung vor Ort am nächsten Abend ergab schnell, dass die durchdringenden rhythmisch wiederholten monotonen Töne von einer Zwergohreule stammen. Manch Anwohner:in dürfte sich jedenfalls schon gefragt haben, was es mit den ungewöhnlichen Lautäußerungen auf sich hatte. Es wurde wohl sogar schon überlegt, das Ordnungsamt zu rufen. Zwergohreulen singen aber natürlich nicht, um Anwohner:innen zu irritieren, sondern um ihr Revier zu verteidigen und einen Partner anzulocken.
Sie sind nur unregelmäßige Brutvögel in Deutschland. Ihre Hauptverbreitung liegt in Südeuropa. Immer wieder gelangen jedoch einzelne Vögel im Frühjahr weiter nach Norden. Zwergohreulen sind die einzigen echten Langstreckenzieher unter den heimischen Eulen. Ihr Winterquartier liegt in Afrika südlich der Sahara. Sie sind spezialisierte Großinsektenjäger. Sie gehören zu den kleinsten Eulen Europas und sind bei uns die einzigen Vertreter der Gattung Otus. Namensgebend sind die auffälligen Federohren. Wie bei allen Eulen liegen die echten Ohren verdeckt an der Schädelseite unter dem Gefieder.
Der jetzige Ort dürfte leider kaum eine geeignete Nahrungsgrundlage für eine erfolgreiche Zwergohreulenbrut bieten, auch wenn sicherlich Spechthöhlen als Nistplatz in Frage kommen. Zwar können die Vögel durchaus im städtischen Umfeld leben, aber in und um Bonn ist die Zahl und Vielfalt an Großinsekten vermutlich kaum ausreichend. Es bleibt eh abzuwarten, ob der Vogel erstmal einen Partner finden wird, denn nördlich der Alpen sind mutmaßlich nur wenige Vögel unterwegs. Meist verbleiben Zwergohreulen als Ausnahmeerscheinung bei uns daher auch nur wenige Tage. So war es auch 2018 als fast an gleicher Stelle ebenfalls eine Zwergohreule festgestellt wurde.
Grundsätzlich sind Zwergohreulen nicht scheu, aber Blitzlicht, Taschenlampe oder gar eine Klangattrappe sollten den Vogel auf keinen Fall stören. Sichtbeobachtungen sind eh Glückssache, denn die Vögel sind tagsüber ausgezeichnet getarnt und nachts kaum zu sehen. Vielleicht sieht man einen Schatten von einem Baum zum nächsten huschen. Um weitere Störungen für die Vögel und ggf. auch die Anwohner zu vermeiden, möchten wir an dieser Stelle keinen genauen Standort preisgeben.
Foto: Andrea Lupa (vermutlich), zugeschnitten, Quelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Text: Darius Stiels