Große, alte Mischwälder können den Rückgang einer bedrohten Vogelart stoppen
Viele Zugvogelarten, die südlich der Sahara überwintern, zeigen seit Ende der 1990er Jahre einen europaweiten Rückgang ihrer Bestände. Eine Art, die davon besonders betroffen ist, ist der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca). Der Trauerschnäpper ist ursprünglich ein Bewohner alter Wälder, wo er in Baumhöhlen nistet und sich ausschließlich von fliegenden Insekten ernährt. Die Art war aufgrund von Lebensraumverlusten zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus weiten Teilen Mitteleuropas verschwunden, erholte sich aber seither flächendeckend u.a. durch das Anbringen von Nistkästen in allen Arten von Wäldern, aber auch in Parks und großen Gartenanlagen. Dieser Trend dauerte bis vor ca. 25 Jahren an. Seither gehen die meisten Populationen wieder zurück, wobei verschiedene Gründe als Rückgangsursache diskutiert werden.
Ein Wissenschaftlerteam des Naturkundemuseums Stuttgart (Stefan Abrahamczyk ist langjähriges Mitglieder der OAG) und unserer OAG Bonn untersuchte in einem aktuellen Artikel in der Fachzeitschrift „Ardeola“ die langfristige Populationsentwicklung und Nistplatzwahl der Trauerschnäpperpopulation im Kottenforst bei Bonn. Die Population entstand in den 1960er Jahren durch das Anbringen zahlreicher Nistkästen in den Bereichen des Kottenforsts, die durch zahlreiche, 150-250 Jahre alte Eichen und Buchen geprägt werden. Zwischen 1960 und 1970 stieg die Population stark an und war vollständig auf Nistkästen zur Brut angewiesen, obwohl auch damals schon viele natürliche Nisthöhlen zur Verfügung gestanden hätten. Entgegen des europaweiten Trends dauert die positive Populationsentwicklung des Trauerschnäpper im Kottenforst weiter an bis ein gewisser Bestand erreicht wurde, der den Kottenforst zu einem regional wichtigen Brutgebiet für die Art machte. Dieser gegenläufige Trend im Kottenforst und einigen wenigen anderen alten Wäldern von Russland bis Spanien kann an der Größe und Struktur dieser Wälder liegen, da große, alte Wälder besonders viel Nahrung und Nistmöglichkeiten bieten und besser gegen Störungen gepuffert sind.
Dieses Argument wird unterstützt durch die Beobachtung, dass aktuell im Kottenforst nur noch ein Drittel der Trauerschnäpperpopulation in Nistkästen und der Rest in natürlichen Baumhöhlen alter Eichen und Buchen brütet. Die Gründe für diese Entwicklung sind unklar. Zwar ging die absolute Anzahl der Nistkästen seit 1970 zurück, der Anteil der von Trauerschnäppern besetzen Kästen blieb hingegen konstant. Auch stehen jedes Jahr ein kleiner Teil der verfügbaren Kästen leer. Diese Ergebnisse widersprechen der bisher gängigen Annahme, dass Trauerschnäpper Nistkästen gegenüber Baumhöhlen bevorzugen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung großer, alter Wälder für den Erhalt der heimischen Biodiversität.“ sagt Dr. Stefan Abrahamczyk, Kurator am Naturkundemuseum Stuttgart und fügt hinzu: „Daher wäre es wünschenswert die Fläche des Wildnisgebietes im Kottenforst noch auszudehnen und dabei insbesondere die Gebiete mit den Kernvorkommen des Trauerschnäppers zu berücksichtigen.“
Foto: Hans Glader